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Getilgte Vorstrafen bei der Glaubwürdigkeitsprüfung des bestohlenen Versicherungsnehmers
NJW-RR 1998, 744

BZRG § 51
VVG § 49
Sind Verurteilungen des Versicherungsnehmers im Strafregister getilgt worden oder hätten sie getilgt werden müssen, so sind die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten bei der Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit außer Betracht zu lassen.
BGH, Urteil v. 11. 2. 1998 - IV ZR 306/96 (München)
Der Kl. beansprucht von der Bekl. Versicherungsleistungen aus einer Kfz-Diebstahlversicherung. Er war Halter eines Mercedes-Benz 300 SE, der bei der Bekl. gegen Diebstahl versichert war. Am 6. 12. 1994 meldete der Kl. den Pkw in A. bei der belgischen Polizei als gestohlen. Das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren blieb erfolglos. Der Kl. hat behauptet, ihm sei der Pkw am 6. 12. 1994 in A. gestohlen worden. Er habe damals zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Zeugin L, im Hotel A in A. gewohnt, das Fahrzeug gegen 17.00 Uhr vor dem Hotel abgestellt und dann, gegen 19.00 Uhr am selben Abend, bei der Rückkehr ins Hotel nicht wieder vorgefunden. Er habe daraufhin zunächst gedacht, das Fahrzeug sei möglicherweise abgeschleppt worden, und sei mit der Zeugin L fortgegangen, weil man für den Abend verabredet gewesen sei. Als er dann um 23.00 Uhr ins Hotel zurückgekommen sei, sei der Pkw immer noch nicht aufgefunden gewesen. Der Kl. hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, an ihn 68 295,65 DM nebst 12% Zinsen zu zahlen. Die Bekl. hat vorgetragen, es handele sich beim Kl. jedenfalls nicht um einen redlichen Versicherungsnehmer, dem ein Vertrauensvorschuß entgegengebracht werden könne. Gegen ihn sei ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig gewesen, dem der Vorwurf zugrunde gelegen habe, der Kl. habe insgesamt etwa 1400 Personen durch sogenannte Glücksbriefe bzw. fingierte Horoskope geschädigt. Außerdem sei der Kl. vorbestraft.Das LG hat die Klage abgewiesen, die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat der Versicherungsnehmer den versicherten Entwendungsfall schon dann bewiesen, wenn Tatsachen feststehen, die nach ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme gegen seinen Willen schließen lassen. Das äußere Bild eines Diebstahls ist im allgemeinen bereits dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat, an dem er es später nicht mehr vorfindet. Dies schließt nicht aus, daß der Versicherer in angemessener Weise vor Mißbrauch geschützt wird. Er kann dem Anspruch des Versicherungsnehmers solche Tatsachen mit Erfolg entgegenhalten, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, daß der Diebstahl nur vorgetäuscht ist (BGHZ 130, 1 [3, 5] = NJW 1995, 2169 = LM H. 10/1995 § 94 VVG Nr. 1 m. w. Nachw.).
2. Das Urteil des BerGer. läßt nicht erkennen, daß es diese Grundsätze hinreichend beachtet hat. Das BerGer. stellt fest, die Tatsachen, aus denen sich das äußere Bild eines Diebstahls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erschließen lassen, seien dargelegt und bewiesen. Es stützt sich dabei auf das Urteil des LG. Dieses hatte ausgeführt, aufgrund der Vernehmung der Zeugin L gehe es davon aus, daß die Darstellung des Kl. über das Verschwinden seines Fahrzeugs zumindest dem äußeren Ablauf nach zutreffe. Die Zeugin habe zwar einen etwas verschlossenen Eindruck hinterlassen. Sie habe aber die Darstellung des Kl. insgesamt in einer nachvollziehbaren und in sich widerspruchsfreien Weise bestätigt. Obwohl es sich bei der Zeugin um die Verlobte des Kl. handele, gehe es davon aus, daß der Kl. in der Tat am Abend des 6. 12. 1994 gemeinsam mit der Zeugin den Mercedes zunächst gegen 17.00 Uhr abends vor dem Hotel A in A. geparkt und dann um 19.00 Uhr am selben Abend das Verschwinden des Fahrzeugs festgestellt habe.
Das LG ist also bei seiner Feststellung der Tatsachen für das äußere Bild den Bekundungen der Zeugin gefolgt. Das BerGer. hat die Zeugin nicht erneut vernommen. Es hat die Ausführungen des LG zur Grundlage auch seiner Beurteilung gemacht. Damit ist das äußere Bild eines Diebstahls bewiesen.
Dann aber durfte das BerGer. den Anspruch des Kl. nicht verneinen, ohne Tatsachen festgestellt zu haben, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, daß der Kl. den Diebstahl nur vorgetäuscht hat. Seinen Ausführungen, mit denen es die Redlichkeit des Kl. in Zweifel zieht, kann nicht entnommen werden, daß es die angeführten Umstände als ausreichend ansieht, eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Vortäuschen des Diebstahls anzunehmen.

Sollte das BerGer. trotz des als bewiesen angesehenen äußeren Bildes eines Diebstahls dem Kl. diese Beweiserleichterung nicht zugute kommen lassen wollen, weil es sich nach seiner Ansicht um einen unredlichen Versicherungsnehmer handelt, wäre dies rechtsfehlerhaft. Denn auch einem unredlichen Versicherungsnehmer kann ein Fahrzeug gestohlen werden. Ihm muß deshalb die Möglichkeit eingeräumt werden, wenn ihm das Mittel des Zeugenbeweises zur Verfügung steht, die Tatsachen für das äußere Bild zu beweisen.
3. Da nicht feststeht, daß das BerGer. von dieser Rechtslage ausgegangen ist, kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß es bei der Beachtung dieses Ausgangspunktes die Zeugin L selbst vernommen hätte, um sich ein eigenes Bild von ihrer Glaubwürdigkeit zu machen. Um dem BerGer. hierzu Gelegenheit zu geben, muß die Sache zurückverwiesen werden.
Sollten sich bei der Vernehmung Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, daß der Kl. die Zeugin nur als Werkzeug benutzt hat und das Fahrzeug durch Dritte während des gemeinsamen Aufenthalts in dem Hotel hat wegschaffen lassen, wären
auch solche Tatsachen bei der Frage zu berücksichtigen, ob der Kl. den Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht hat. Aus dem Umstand, den das BerGer. in seinen Erwägungen zur Glaubwürdigkeit des Kl. zusätzlich einbezogen hat, daß der Kl. das Verschwinden des Fahrzeugs zunächst mit einem Abschleppvorgang in Verbindung gebracht habe, dürfte sich allerdings nichts herleiten lassen. Wenn der Kl. zunächst nachforschen ließ, ob sein Fahrzeug abgeschleppt worden sei und das Ergebnis erst einmal abwartete, hat dies noch keine Indizwirkung für ein Vortäuschen des Diebstahls.
Soweit es um die Frage geht, ob schwerwiegende Zweifel an der Redlichkeit des Kl. gegeben sind, die - gegebenenfalls mit weiteren Umständen - den Schluß rechtfertigen, er habe den Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht, können auch Tatsachen berücksichtigt werden, die nicht zu einem Strafverfahren geführt haben. Solche Tatsachen müssen aber feststehen, d. h. unstreitig oder bewiesen sein. Bloße Verdachtsmomente reichen nicht aus. Insoweit gilt bei der Prüfung der erheblichen Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung nichts anderes, als der
Senat zur Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers bei der Feststellung des äußeren Bildes ausgeführt hat (vgl. BGHZ 132, 79 = NJW 1996, 1348 = LM H. 6/1996 § 49 VVG Nr. 3).

Sind Verurteilungen des Kl. im Strafregister getilgt worden oder hätten sie getilgt werden müssen, so sind die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit außer Betracht zu lassen. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Vorhaltungs- und Verwertungsverbot des § 51 BZRG. Danach dürfen bei Tilgungsreife dem Betroffenen Tat und Verurteilung im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. Im Rechtsverkehr erfaßt alle Rechtsverhältnisse und Rechtsbeziehungen, auch im privaten Recht, unabhängig davon, ob es sich um materiell- oder verfahrensrechtliche Vorschriften handelt (vgl. Rebmann/Uhlig, BZRG, 1985, § 51 Rdnr. 26 m. w. Nachw.). Aus § 51 I BZRG folgt auch ein unmittelbares Verwertungsverbot, das auch ein Beweisverbot enthält (Rebman/Uhlig, § 51 Rdnr. 33 m. w. Nachw.), so daß es nicht darauf ankommt, ob die Bekl. von den Straftaten des Kl. durch die Presse erfahren hat.
Anm. d. Schriftltg.: Mit der Bewertung von Indizien einer vorgetäuschten Entwendung eines Pkw befaßt sich auch BGH, NJW-RR 1997, 341; NJW-RR 1997, 152; NJW-RR 1997, 154 und NJW-RR 1997, 159. Zu den Anforderungen an die Darlegung der erheblichen Wahrscheinlichkeit für Diebstahlsvortäuschung s. OLG Oldenburg, NJW-RR 1997, 923 und OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 924. Vgl. zu dem Problemkreis auch Römer, NJW 1996, 2327 m. w. Nachw.

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