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Anforderungen an richterliche Durchsuchungsbeschlüsse
NJW 1994, 3281

StPO §§ 102 ff.
Eine Durchsuchungsanordnung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entspricht nicht rechtsstaatlichen Mindestanforderungen, wenn sie keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält. (Leitsatz der Redaktion)
BVerfG (2. Kammer des 2. Senats), Beschluß v. 21.06.1994 - 2 BvR 2559/93
Im September 1992 erhielt die Staatsanwaltschaft aufgrund einer privaten Anzeige Kenntnis davon, daß eine Firma Leaguestyle Ltd.' mit Hauptsitz in London persönlich gehaltene Briefe einer Astrologin J ...' versandte, in denen gegen Zahlung von 50 DM ein persönliches Horoskop angeboten wurde. Der Anzeigeerstatter hatte 50 DM an die Firma Leaguestyle Ltd.' überwiesen, statt der versprochenen Unterlagen aber ein weiteres Angebot zum Erwerb eines Medaillons erhalten, für das er nunmehr 39 DM Vorkasse leisten sollte. Nachdem die Staatsanwaltschaft den Bf. als örtlich zuständigen Vertreter der Firma Leaguestyle Ltd.' ermittelt hatte, beantragte sie unter Vorlage der Anzeige und des Ermittlungsergebnisses beim AG mehrere Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse. Das AG erließ daraufhin am 25. 11. 1992 einen Durchsuchungsbeschluß, mit dem es im Ermittlungsverfahren wegen versuchten Betruges' die Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume des Beschuldigten, seiner Person und seiner Sachen, insbesondere der Fahrzeuge aller Art ...' und der Geschäftsräume der Firma Leaguestyle Ltd.' anordnete.Vorgefundene Beweismittel' würden beschlagnahmt, insbesondere Unterlagen über den Handel mit Esoterik pp.'. Zur Begründung führte das AG aus, der Beschuldigte sei verdächtig, andere unter leeren Versprechungen zu Zahlungen zu veranlassen. Mit weiteren ebenso begründeten Beschlüssen vom 25. 11. 1992 und 26. 11. 1992, ergänzt durch Beschluß vom 2. 12. 1992, ordnete das AG die Beschlagnahme des Inhalts bestimmter Postschließfächer des Bf. und der Firma Leaguestyle Ltd.' sowie die Postbeschlagnahme der auf die genannten Schließfächer eingehenden Sendungen an. Am 1. 12. 1992 wurden das Wohnhaus des Bf. - Wohn- und Büroraum -, seine beiden Pkw und die Betriebsräume der Firma Leaguestyle Ltd.' durchsucht. Gegen die Beschlagnahme von Beweismitteln erhob der Bf. Widerspruch, worauf mit Beschluß des AG vom 2. 12. 1992 eine detaillierte Bestätigung der Beschlagnahme erfolgte. Erst am 23. 9. 1993 legte der Bf. gegen die Beschlüsse des AG vom 25. 11. 1992 und 26. 11. 1992, ergänzt durch Beschluß vom 2. 2. 1992, sowie gegen sämtliche darauf folgenden Beschlagnahmebeschlüsse - in der Folgezeit waren weitere Beschlagnahmeordnungen ergangen - Beschwerde ein, die vom LG am 26. 10. 1993 verworfen wurde. Die angefochtenen Beschlüsse des AG seien zwar kurz begründet, genügten jedoch den Anforderungen.

Der Anfangsverdacht des Betruges habe vorgelegen. Eine weitere zeitliche und tatsächliche Konkretisierung der dem Bf. vorgeworfenen Straftaten sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen noch nicht möglich gewesen. Die mit Beschluß vom 25. 11. 1992 angeordnete Beschlagnahme sei zwar allgemein gehalten, doch habe das Beweismaterial zum Zeitpunkt der Beschlußfassung nicht näher umschrieben werden können. Durch die beispielhafte Angabe von Beweismitteln seien die Grenzen der Durchsuchung jedoch hinreichend ersichtlich gewesen. Die Beschlagnahme der in Frage kommenden Beweismittel sei durch den Beschluß des AG vom 2. 12. 1992 bestätigt worden.Die Verfassungsbeschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluß des AG vom 25. 11. 1992 und den darauf bezogenen Beschluß des LG vom 26. 10. 1993 hatte Erfolg.
1. Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen den Beschlagnahmebeschluß vom 25. 11. 1992 und den am 2. 12. 1992 ergänzten Postbeschlagnahmebeschluß vom 26. 11. 1992 richtet, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie insoweit den Anforderungen des § 92 BVerfGG nicht genügt.
Diese Vorschrift verlangt, daß das angeblich verletzte Recht bezeichnet (vgl. BVerfGE 5, 1 = NJW 1956, 745 ) und der verletzende Vorgang substantiiert dargelegt wird (vgl. BVerfGE 9, 109 =114 f.) = NJW 1959, 572). Der Bf. hat neben Art. 13 I GG, dessen mögliche Verletzung durch den Durchsuchungsbeschluß er darlegt, zwar allgemein eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 I, 10 und 13 I, II GG durch die angegriffenen Beschlüsse gerügt. Er hat aber nicht dargelegt, inwieweit der Beschlagnahme- und der Postbeschlagnahmebeschluß in diese Rechte eingreifen könnten. Daß er den Postbeschlagnahmebeschluß ohne nähere Ausführungen für unverhältnismäßig hält, genügt dem Begründungserfordernis jedenfalls nicht. Auch eine Verletzung anderer - nicht ausdrücklich genannter - Grundrechte durch diese Beschlüsse läßt sich dem Vortrag des Bf. nicht entnehmen. Dies gilt auch für den Beschluß des LG vom 26. 10. 1993, soweit mit diesem die Beschwerde gegen die genannten Beschlüsse verworfen wurde.
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluß des AG vom 25. 11. 1992 und den Beschluß des LG vom 26. 10. 1993 wird zur Entscheidung angenommen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Bf. angezeigt ist ( § 93a II lit. b BVerfGG).
a) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig. Ihrer Zulässigkeit steht auch nicht die Tatsache entgegen, daß die Durchsuchung inzwischen abgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 42, 212 (218) = NJW 1976, 1735; BVerfGE 81, 138 (140 f.) = NJW 1990, 1033; st. Rspr.).

b) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den amtsgerichtlichen Durchsuchungsbefehl und den ihn bestätigenden Beschluß des LG richtet, ist sie i. S. von § 93c I BVerfGG offensichtlich begründet. Der Beschluß genügt nicht den Mindestanforderungen, die aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit an den Inhalt solcher Anordnungen zu stellen sind. Er verletzt ebenso wie der Beschluß des LG, soweit er den darin liegenden Verfassungsverstoß aufrecht erhält, den Bf. in seinem Recht aus Art. 13 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes.
b1) Eine Durchsuchung stellt schon ihrer Natur nach regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen dar. Sie steht daher ebenso wie ihre Anordnung von vornherein unter dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 20, 162 (186 f.) = NJW 1966, 1603). Damit allein ist indessen ein ausreichender Schutz des Betroffenen gegen Übergriffe der Behörden bei Durchsuchungsmaßnahmen nicht gewährleistet. Selbst wenn die Anordnung der Durchsuchung in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Straftat und zur Schwere des Tatverdachts steht, zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich ist und den Erfolg verspricht, geeignete Beweismittel zu erbringen, so ist damit nicht sichergestellt, daß auch die Durchführung der an sich zulässigen Zwangsmaßnahme mit der Verfassung und den Vorschriften der StPO in Einklang steht. Der Schutz der Privatsphäre des Betroffenen darf nicht allein den Beamten, denen die Durchsuchung obliegt, überlassen bleiben. Es ist vielmehr Aufgabe des Richters, von vornherein für eine angemessene Begrenzung der Zwangsmaßnahme Sorge zu tragen. Da die Ermächtigung der Exekutive, im Wege der Durchsuchung in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen einzugreifen, regelmäßig dem Richter vorbehalten ist, trifft ihn als Kontrollorgan der Strafverfolgungsbehörden zugleich die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, daß der Eingriff in die Grundrechte meßbar und kontrollierbar bleibt, kurz, daß die Ermächtigung der rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügt (vgl. BVerfGE 42, 212 (219 f.) = NJW 1976, 1735).
b2) Diesen Anforderungen wird die vorliegende Durchsuchungsanordnung schon deshalb nicht gerecht, weil sie keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält. Die Beschreibung des Tatvorwurfs steckt aber den äußeren Rahmen, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist, ab. Sie hat bei richtiger Handhabung eine begrenzende, die Privatsphäre des Betroffenen schützende Funktion. Zugleich versetzt sie ihn in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 42, 212 (221) = NJW 1976, 1735).

Die Nennung des gesetzlichen Tatbestandes ('versuchter Betrug') erfüllt diese eingriffsbegrenzende Funktion ebensowenig wie die Formel, der Bf. sei verdächtig, andere unter leeren Versprechungen zu Zahlungen zu veranlassen. Denn damit wird nicht einmal deutlich, durch welche konkreten Handlungen der Bf. in den Verdacht des versuchten Betruges geraten ist. Eine solche Kennzeichnung wäre aber nach dem Stand der Ermittlungen etwa durch Darlegung der in der Anzeige enthaltenen Tatsachen ohne weiteres möglich gewesen, ohne daß Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß dies dem Zweck der Strafverfolgung abträglich gewesen wäre. Dies verkennt auch das LG, wenn es davon ausgeht, eine weitere zeitliche und tatsächliche Konkretisierung sei nicht möglich gewesen.
Da damit der angegriffene Durchsuchungsbeschluß und die ihn bestätigende Entscheidung des LG schon mangels tatsächlicher Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nicht genügen, erübrigte sich die Entscheidung darüber, ob der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses darüber hinaus von Verfassungs wegen zu stellenden Anforderungen an seinen Inhalt widerspricht.
Anm. d. Schriftltg.: Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Hausdurchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln vgl. LG Zweibrücken, NJW 1990, 2760.

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